Wie weit sind Sie in Ihrem Leben schon geflogen?

Kiew - westlich geprägte Metropole mit osteuropäischer Gastfreundschaft


Von Lars Müller

Die Sonne verschwindet matt am Horizont, als die Boeing 737-500 der Ukraine International Airlines am Flughafen Kiew-Borispil ihre endgültige Parkposition erreicht. Busse bringen die Reisenden zum Terminal, Fluggastbrücken gibt es bisher nicht. An Bord der betagten Boeing konnten die Reisenden bereits die ukrainische Gastfreundschaft erleben, der Bordservice lässt sich mit dem der Lufthansa vergleichen.

Nach der Einreise - die Beamtin versprüht noch strengen sowjetischen Charme - geht es mit einem Marschrutka rund 30 Kilometer ins Stadtzentrum. Diese Kleinbusse oder Sammeltaxis mit festgelegter Linienführung bewältigen in der Ukraine einen Großteil des dezentralen Nahverkehrs. Schon am Flughafen wird deutlich, dass bei einer Reise in die Ukraine die Kenntnis kyrillischer Buchstaben und wenigstens Reste aus dem Russisch-Unterricht von Vorteil sind. Englisch sprechen allenfalls jüngere Ukrainer. Bald werden die Trabanten-Städte von Kiew erreicht. Aufkommende Dunkelheit verschluckt allmählich die teilweise heruntergekommenen Plattenbauten. Den Menschen an den Haltestellen ist anzusehen, dass sie weit vom westlichen Wohlstand entfernt leben.

Bei Ankunft in der Innenstadt bietet sich bereits ein anderes Bild. Am Hauptbahnhof, Kiew-Passaschirskij, mit seinen prächtigen Wartesälen landet man inmitten eines Menschengewirrs verschiedenster Nationalitäten. So muss es einst in den Metropolen der Sowjetunion gewesen sein. Nur heute gibt es Klassenunterschiede: Armut und Reichtum scheinen hier komprimiert aufeinander zu prallen. Mit einigen Brocken Russisch ist schließlich auch der Eingang zur schlecht ausgeschilderten Metrostation "Woksalna" zu finden. Die Menschen sind äußerst hilfsbereit - übrigens ohne dafür eine Gegenleistung zu erwarten.

Mit blauen Plastikchips, die umgerechnet nur einige Cent kosten, öffnet sich die Schranke am Durchgang zu U-Bahn. Dicht an dicht stehen die Menschen auf den hölzernen Rolltreppen, die - an der Station Arsenalna bis rund 100 Meter - in Tiefe führen. Manche der Stationen sind im stalinistischen Stil prunkvoll gestaltet, obwohl der Diktator zur Eröffnung der ersten Linienabschnitte 1960 längst tot war. Mächtige Leuchter, Wandfresken und mitunter auch noch eine versteckte Leninbüste beeindrucken Fremde, während die Kiewer gezielten Schrittes durch das Labyrinth der Umsteigestationen hetzen. Die Metro-Züge auf den drei Linien fahren im Abstand weniger Minuten. Warten bringt aber nichts, jede Bahn ist gut gefüllt. Die Sitzplätze sind im Zentrum immer längst besetzt.

Angekommen im Hotel erfordert noch einmal Bürokratie aus sowjetischer Zeit etwas Geduld. Der Check In gestaltet sich ähnlich aufwendig, wie die Einreise. Die Zimmerschlüssel gibt es bei der Etagenfrau, die Deschurnaja ist Wachpersonal und Zimmermädchen zugleich. Bei ihrer Anwesenheit ist kein Zimmersafe nötig. Das Hotel "Ukraine" am Unabhängigkeitsplatz ist im sozialistischen Klassizismus erbaut, auf dem Dach weht die gelb-blaue Nationalfahne der Ukraine. Das Gelb symbolisiert die endlosen Weizenfelder, das Blau den weiten Himmel.

Genauso präsentiert sich das Wetter am nächsten Morgen. Beim ersten Besuch in Kiew empfiehlt sich die Besichtigung der bekanntesten Sehenswürdigkeiten. Sie sind teilweise zu Fuß, teilweise mit Metro, Trolleybus oder Straßenbahn zu erreichen. Und notfalls gibt es ja immer noch die Marschrutka-Sammeltaxis.

Das Petschersk-Kloster oberhalb des Dnipro-Flusses, das Goldene Tor, die Sophienkathedrale mit ihrem himmelblauen Glockenturm oder das Michaelskloster sind Höhepunkte einen Kiew-Besuchs. Ein schöner Spaziergang führt vom Altkiewer Plateau vorbei an der Andreaskirche zum Kontraktova-Platz. Der Andreasstieg ist gesäumt von historischen Häusern und Souvenirständen. Nahe dem Kontraktova-Platz kann das Tschernobyl-Museum besichtigt werden, das auf beklemmende Weise versucht, die Reaktorkatastrophe von 1986 zu erklären und aufzuarbeiten. Vom nahen Poschtowa-Platz aus fährt die Standseilbahn, die Furnicular, in zwei Minuten vom Dnipro-Ufer hinauf zum Michaelskloster. Sie steht schon seit 1905 im Dienst und wurde seither mehrfach saniert. Wer Kiew abseits der Touristenrouten entdecken will, sollte die Trambahn vom Kontraktova-Platz zum Hauptbahnhof nehmen. Sie führt um die Hügel der Altstadt herum. Der Fahrschein kostet umgerechnet rund 20 Cent und wird von Schaffnerinnen in den Bahnen verkauft. Im Einsatz sind überwiegend ältere Straßenbahnen aus tschechoslowakischer Produktion.

Zwischen dem klassischen Sightseeing sollte man sich Zeit nehmen und einfach durch die Straßen treiben lassen. Was hierbei auffällt, Kiew präsentiert sich als friedliche Stadt. Sicherheitskräfte halten sich allenfalls im Hintergrund. Die Innenstadt bestimmt westlicher Lebensstil, von der Armut der Vorstädte ist kaum etwas zu spüren. Nicht einmal die Souvenirhändler drängen den Touristen ihr reichhaltiges Angebot an Kunsthandwerk auf. Neben ukrainischen Handwerkserzeugnissen sind auch Matrjoschkas russischen Ursprungs zu haben. Die vielen inländischen Touristen wählen sehr sorgfältig aus, ausländische Gäste sind weniger kritisch. Einige Babuschkas verkaufen an Straßenecken Obst, Gemüse und Kräuter aus eigenem Anbau. Offenbar ganz schick finden es die jungen Ukrainer, sich einen Kaffee auf der Straße zu holen. Verschiedenste Kaffeespezialitäten werden aus mobilen Kaffeeshops heraus verkauft, dazu sind kleine Lieferwagen mit Hightech-Kaffeemaschinen bestückt. Restaurants servieren ukrainische Spezialitäten, wie die legendäre Borschtsch-Suppe nach jeweils hauseigenen Rezepten. In Cafes werden unzählige süße Köstlichkeiten angeboten. Zumeist sind Speisekarten in englischer Sprache verfügbar.

Wer sich zurück zum Flughafen mit schwerem Gepäck das Umsteigen von der Metro in den Marschrutka-Kleinbus ersparen will, sollte sich vom Hotel ein Taxi rufen lassen. Dann gilt ein Festpreis, was Verhandlungen mit dem Chauffeur erspart. Als Fazit bleibt: Eine Reise zumindest in ukrainische Städte ist unkompliziert. Kiew ist als Ziel noch nicht überlaufen, sicher und - dank der hilfsbereiten Menschen - auch relativ einfach zu entdecken. Bei der Einreise in die Ukraine benötigen EU-Bürger kein Visum. Es genügt ein Reisepass, der bei Ein- und Ausreise gestempelt wird.

Die Ukraine International Airlines bedient in Deutschland derzeit Frankfurt und Berlin. Dabei eingesetzte Maschinen der Typen Boeing 737-300 bis 737-500 haben überwiegend eine wechselvolle Geschichte in Diensten vieler Gesellschaften hinter sich. Ihre Ersteinsätze absolvierten sie beispielsweise bei China Southern, Lauda, Futura, Air France, Turkish, Rio Sul, Luxair, Lot oder Western Pacific. Ihre Herkunft ist mitunter auch noch an den Beschilderungen in der Kabine zu erkennen.

Lars Müller, Stand: Oktober 2011

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