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Warschau - neu aufgebaute Altstadt und eine Skyline, die Frankfurt oder London nachstrebt


Zwischenstopp in Grünberg
Beim Zwischenstopp in Grünberg wird die kleine Maschine aufgetankt. Passagiere müssen für kurze Zeit in die Abflughalle des kleinen Terminals.

Von Lars Müller
Nein, als klassisches Reiseziel gilt Warschau bisher nicht. Wer noch nicht dort war, kann mit der polnischen Hauptstadt so recht kein markantes Bild verbinden. Und tatsächlich erschließt sich Warschau dem Besucher auch erst auf den zweiten Blick.

Der Kulturpalast
Viele Warschauer verbindet eine Art Hassliebe mit dem Kultur­palast im "Stalinistischen Zuckerbäckerstil", der eher nach Moskau passen würde.

Der Tagesausflug beginnt in Dresden. Seit September 2009 verbindet die polnische Flug­gesellschaft Jet Air fünf Mal pro Woche die sächsische Landes­haupt­stadt mit der polnischen Hauptstadt. Trotz historischer Beziehungen - die wettinischen Kurfürsten von Sachsen waren im 18. Jahrhundert auch Könige von Polen - bleibt die Nachfrage auf der neuen Strecke noch gering. Vor allem Wissenschaftler der TU Dresden und Geschäftsleute steigen in die British Aerospace Jetstream-32 ein. Um die 18 Sitzplätze zwischen Elbe und Weichsel möglichst zu füllen, landet Jet Air noch im schlesischen Grünberg (Zielona Gora) zwischen. Innerpolnisch ist die Strecke subventioniert. Auch der Flughafen IEG - eigentlich ein besserer Verkehrslandeplatz - scheint mit öffentlichen Geldern aufgemotzt zu sein. Während des kurzen Stopps wird aufgetankt, polnische Business-Reisende steigen zu. Die kleine Maschine verfügt sogar über eine Toilette. Und die Flüge werden von einer Stewardess begleitet, die zwischendurch Waffeln und Fruchtsaft in Tetrapacks verteilt. (Abends gab es sogar passablen Kaffee.) Demnächst sollen neue Propeller die Turboprop-Maschine leiser machen. Angestrebt wird auch eine Zusammenarbeit mit der LOT, um Umsteigepassagiere nach Warschau zu bringen.

Auf der Neustädter Seite
Auf der Neustädter Seite außerhalb der Altstadt­mauern geht es beschaulicher zu, hier ist das wahre Warschauer Leben zu finden.

Gut zwei Stunden nach dem Start in Dresden landet die Maschine am "Frédéric-Chopin-Airport". Der internationale Flughafen ist - wie offenbar immer alle Flughäfen - teilweise eine Baustelle. Über verstopfte Straßen geht es Richtung Innenstadt. Ankommende fragen sich zunächst, ob sich die Reise wirklich gelohnt hat. Aber das ist in Teneriffa-Süd oder Keflavik genauso. Warschau ist zwischen Flughafen und Innenstadt nicht hässlich, aber auch nicht schön. Bald tauchen futuristisch anmutende Hochhäuser auf, Warschau baut sich eine Skyline am Rande seines Zentrums. Nahezu alle Hotelketten haben Häuser ihrer Fünf-Sterne-Marken aus dem Boden gestampft, das Ambiente ist trotz aller Details zum Verwechseln gleich. Typisch Polnisches sucht man in diesen Häusern vergeblich, dafür gibt es Sushi, italienische Nobelpasta oder ein bayerisches Oktoberfest. Mehrere zeitgleich stattfindende Kongresse sorgen für ausgebuchte Betten. Zumindest die erste Sehenswürdigkeit Warschaus ist endlich erreicht: Der Kultur- und Wissenschaftspalast, mit 232 Metern das höchste Gebäude der Stadt und ein "Geschenk" Stalins. Bis heute haben viele Polen noch immer ihr Problem mit diesem "Geschenk" des Sowjetdiktators. Doch der 1955 eröffnete himmelhohe Prunk- und Protzbau mit 3300 Sälen und Räumen auf einer Gesamtfläche von 150 000 Quadratmetern ist inzwischen ein Denkmal. Kurz nach der Wende stand noch dessen Abriss zu Debatte.

Am Altmarkt.jpg
Am Altmarkt mit seinen beeindruckenden Bürger­häusern reiht sich eine Kneipe an die nächste. Hier treffen sicher Warschauer und Touristen.
Stadtmauer der Altstadt
Nach dem Zweiten Weltkrieg originalgetreu wiederaufgebaut: Altstadt und Stadtmauer. Bausünden gibt es im historischen Zentrum keine.

Ganz anders und fast schon gemütlich präsentiert sich die nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg originalgetreu wieder errichtete Altstadt vom Schlossplatz bis hinaus zum Neustädter Markt. Urige Gast­häuser mit Sommerterrassen laden zum Verweilen ein, Kutscher warten auf Fahrgäste. Wer durch kleine Gassen schlendert, entgeht vorüber­gehend dem Trubel. Mag sein, dass hier die eine oder andere Touristenfalle lauert, aber auch das ist anderswo nicht anders. Die Altstadt ist zu Recht von der UNESCO zum Weltkulturerbe ernannt worden. Wer mehr über die wechselvolle Geschichte Polens und speziell Warschaus erfahren möchte, sollte sich einen deutschsprachigen Gästeführer buchen. Vorbehalte gegenüber Deutschen sind in der polnischen Hauptstadt übrigens nicht spürbar, mehr Schwierigkeiten haben die Polen sowieso mit den Russen. Aus Moskau gab es bisher nur halbherzige Entschuldigungen für Besatzung und Unterdrückung in der Vergangenheit.

Die Crew vom Erstflug
Diese Crew hat am 6. September 2009 auf einem Positionierungs­flug die Maschine von Warschau nach Dresden gebracht. Einen Tag später startete die Linien­verbindung.

Eine zügige Fahrt zurück zum Flughafen scheitert am Feierabendverkehr und Kreiseln mit Ampelschaltungen, deren Logik sich bei nur einem Tag in Warschau nicht ergründen lässt. Es gibt nur eine Metrolinie in der Stadt, tschechische Tatratrambahnen und ungarische Ikarusbusse - häufig aus Vorwendezeiten - bewältigen den öffentlichen Nahverkehr. Check-In und Boarding am Flughafen macht eine Mitarbeiterin der Jet Air. Die Jetstream ist pünktlich von ihren zwischenzeitlichen innerpolnischen Liniendiensten und einem Flug nach Wien zurück, hebt im letzten Abendrot Richtung Grünberg und Dresden ab.

Dresden-Warschau-Grünberg-Dresden
Dresden - Warschau - Grünberg (Zielona Góra) - Dresden

Fazit: Warschau zum Kennenlernen ist an einem Tag möglich. Wer die Stadt entdecken will, sollte ein Wochenende einplanen. Flüge mit Lufthansa und LOT gibt es ab vielen großen deutschen Flughäfen, mit Jet Air ab Dresden. Ab Berlin bieten DB AG und PKP mehrmals täglich mit dem "Berlin-Warszawa-Express" zum Pau­schal­preis ein Angebot auf EuroCity-Niveau.

Lars Müller
Die Reportage entstand mit Unterstützung des Flughafens Dresden und der Jet Air.
Stand: September/2009

Aktuell: Jet Air hat die Dresden-Verbindung am 20. August 2010 eingestellt.

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